Wir freuen uns, dass 2018 der Preis für Freiheit und Menschenrechte wieder verliehen wird. Der Stiftungsrat hat sich intensiv mit der Auswahl eines würdigen Preisträgers oder einer Preisträgerin auseinandergesetzt. Dabei war besonders wichtig, dass der Fokus auf unserem neuen Label «Recht auf Perspektive» liegt und ein Bezug zur Schweiz besteht.
Der diesjährige Preis geht an «NOSOTRAS, Aargau», gegründet und geführt von Ligia Vogt.
Was macht NOSOTRAS Aargau?
Nosotras Aargau setzt sich für Migrantinnen- und Migranten-Familien ein, die sich in der Schweiz integrieren wollen. Ein Schwerpunkt der Arbeit bilden ausländische Frauen, die durch ihre Männer (manchmal sind es auch Schweizer Männer) Gewalt erleben, z.B. physische, psychische Gewalt, Gewalt in der Familie und im sozialen näheren Umfeld, finanzielle und materielle Einschränkung, Verletzung der Menschenrechte und Einschränkung des freien Willens. Ab und zu kommt es vor, dass auch männliche Gewaltopfer Hilfe und Beratung bei Nosotras Aargau suchen.
Zum Angebot von Nosotras Aargau zählen
- Beratungen zu Fragen in den Bereichen Recht, Arbeit, Bildung, Integration, Gewalt, Soziales und Gesundheit, Diskriminierung, Ausschluss
- Begleitungen und Übersetzungen («Brücken bauen») beispielsweise zu Spitälern, Sozialämtern, Polizei, Ärzte, Schulen, Mediation, Arbeitsamt und RAV
- Workshops/Kurse zu folgenden Themen: Deutsch Konversation und Integration, motivierende Integration und Elternbildung
Die Angebote sind für alle Frauen kostenlos (Beratung/Begleitung) oder sehr kostengünstig. Viele Mitarbeitende arbeiten ehrenamtlich und wenden dafür jährlich unzählige Arbeitsstunden auf (2017: ca. 7‘000 Std. für Beratung, 1‘800 Std. für Koordination). Das Angebot von Nosotras Aargau wird rege genutzt. Im Durchschnitt gibt es täglich 20 Konsultationen und die Kurse resp. Workshops verzeichneten 2017 rund 1‘300 Besuche. Im Durchschnitt dreht sich bei 18-20 Konsultationen pro Monat alles um Gewalt. Dabei ist die grösste Herausforderung, dass die schlimmen Fälle im Zusammenhang mit Gewalt fast ausnahmslos am Wochenende, während den Ferien oder an Feiertagen passieren. Dann, wenn die meisten anderen Institutionen nicht erreichbar sind. Nosotras ist praktisch rund um die Uhr während 7 Tagen pro Woche erreichbar. Ein 5-8 Stunden-Tag – auch am Wochenende und meistens ehrenamtlich – ist für Ligia Vogt die Regel.
Wer ist Ligia Vogt?
Ligia Vogt reiste vor über 20 Jahren in die Schweiz ein, weil sie hier mit einem Schweizer Mann eine Familie gründen wollte. Sie hat in der Heimat das Studium der Erziehungswissenschaften, Spezialfach Sozialwissenschaft, mit dem Lizenziat abgeschlossen. Zudem hat sie ein MSc-Studium der Geschichte Amerikas absolviert. In der Schweiz hat Ligia Vogt zusätzlich das Diplom der eidgenössisch anerkannten Migrationsfachfrau erlangt. Diese Fähigkeiten und ihre Sprachkenntnisse setzt sie seit 2005 für den Aufbau und die Professionalisierung der täglichen Arbeit von Nosotras Aargau unentgeltlich ein. Die Arbeit mit den Opfern von häuslicher Gewalt in allen Facetten ist aufreibend und belastend. Deshalb ist es Ligia Vogt besonders wichtig, dass noch mehr in die Präventions- und Informationsarbeit investiert werden kann. Sie sagt: «Informationen sind wie Muskeln. Informationen macht die Frauen stärker».
Das Preisgeld in der Höhe von 10‘000 Franken will sie genau dafür – für Information und Prävention – einsetzen. Mit dem Focus auf die neuen Medien und den Umgang damit, möchte Ligia Vogt eine App entwickeln, die den Frauen und Betroffenen viele spezifische Informationen zur Verfügung stellt. Das Konzept und die Planung sind bereits vorhanden, die Umsetzung sollte jetzt in Angriff genommen werden. Inhaltlich geht es um die zwei wichtigsten Themenbereiche «Integration» sowie «Gewalt&Prävention» (Rechte und Pflichten der Migrant/innen). Geplant ist, dass die App in deutscher Sprache erstellt wird und Übersetzungen in weitere Sprachen erfolgen (spanisch, portugiesisch, türkisch, kurdisch, englisch, arabisch, tamilisch, tigrinya).
Im Weiteren plant Ligia Vogt eine monatliche Radiosendung in Zusammenarbeit mit dem Lokalradio Kanal K zu den Themen «Integration» und «Gewalt&Prävention». Erste Kontakte zum Radiosender sind geknüpft und im Vorstand von Nosotras Aargau sind zwei erfahrene sowie motivierte Radio-Journalistinnen. Mit einem Teil des Preisgeldes könnte der Beitrag für die Kollektivmitgliedschaft beim Radiosender einbezahlt und die monatliche Sendung gestartet werden.
Bild von Andrea Jerger
Follow-up zur Preisvergabe 2018 und Nosotras AG
Regelmässig zeichnet die Stiftung Freiheit und Menschenrechte Menschen und Organisationen aus, die sich für Menschen und ihr Recht auf Perspektive einsetzen. 2018 vergab die Stiftung Freiheit und Menschenrechte diesen Preis an Nosotras Aargau und ihre Gründerin Ligia Vogt. Seit vielen Jahren setzen sie sich für Migrantinnen und Migrantenfamilien ein, die sich in der Schweiz integrieren wollen. Mehr zu dieser Organisation finden Sie im Flyer zur Preisvergabe.
Bei der Preisverleihung am 13. November 2018 plante Ligia Vogt, das Preisgeld von 10’000 Franken für Information und Prävention einzusetzen. Eine Idee war die Entwicklung einer App mit spezifischen Informationen für Betroffene. Eine weitere Idee war eine monatliche Radiosendung zu den Themen Integration, Gewalt und Prävention. Was ist daraus geworden? Konnten diese Ideen umgesetzt werden?
Realität wurde vor einem Jahr NoSotras-Radio in Zusammenarbeit mit dem Lokalradio Kanal K. Bereits konnte die Sendung ihren ersten Geburtstag feiern. Mit einem Teil des Geldes konnte die Idee finanziell unterstützt werden. Aktuell wird die Sendung monatlich ausgestrahlt. Sie wir jeweils mittwochs ausgestrahlt und dauert eine Stunde, die erste Hälfte in spanischer, die zweite in arabischer Sprache. Es gibt jedoch bereits heute Pläne, sie auf zwei Stunden zu verlängern. Die Sendung behandelt Themen wie Integration, Prävention, Frauen/Familien, Gesundheit, Rechte und Pflichten und basiert auf den Erfahrungen von Nosotras Aargau. Ihr Ziel ist ein friedliches, harmonisches, tolerantes und respektvolles Miteinander von MigrantInnen und Einheimischen.
Die Realisierung der App ist noch ausstehend. Nach wie vor bestehen die Pläne dafür, aber andere Herausforderungen, wie beispielsweise der Umzug in neue Räumlichkeiten, zwangen Nosotras, diese Idee fürs Erste zurückzustellen. Dafür wurde ein weiterer Teil des Preisgeldes für die Aktualisierung der Webseite www.nosotras-aargau.ch eingesetzt.
Das Team um Ligia Vogt arbeitet unermüdlich weiter. Über 300 Beratungen wurden im letzten Jahr durchgeführt. Und auch die Kurse für MigrantInnen sind sehr beliebt. Es war Nosotras nicht möglich die ganze Nachfrage zu decken.
Wir gratulieren Nosotras Aargau zum anstehenden 15-Jahre-Jubiläum im nächsten Jahr und wünschen ihnen viel Erfolg bei der weiteren Umsetzung ihrer Ideen und Pläne. Unsere Gesellschaft braucht Menschen wie Ligia Vogt und ihr Team.
Bern/Windisch, Dezember 2019 – in Zusammenarbeit mit Ligia Vogt